Sexualethik

Sexualethik
Se|xu|al|ethik 〈f. 20; unz.〉 die Ethik im Geschlechtsleben, Verhältnis des Geschlechtslebens zur Sittlichkeit

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Se|xu|al|ethik, die:
Ethik im Bereich des menschlichen Geschlechtslebens.

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I
Sexual|ethik,
 
die ethische Reflexion, die sich mit den Sinngehalten, Äußerungsformen, Folgen und Normen sexuellen Verhaltens von Mann und Frau beschäftigt, wie sie im Zusammenhang gesellschaftlichen Lebens in Form einer bestimmten Sexualkultur und -moral zum Ausdruck kommen. Sie stützt sich dabei auf die Bedeutungsbreite, die der Sexualität im Zusammenhang individuellen und gesellschaftlichen Lebens zukommt. Dabei wird besonders ihre unterschiedliche Bedeutung in den verschiedenen Phasen des Lebens (Kindheit, Jugend, Reife, Alter) hervorgehoben. Gegenstand der sexualethischen Betrachtung sind aber auch Sinnesreize und symbolische Bedeutungen, die Objekten und Handlungen beigemessen werden, wie auch das sexuelle Verhalten im Sinne eines komplexen Sprachgeschehens. - Grundlage der christlichen Sexualethik bilden die schöpfungstheologischen Aussagen der Bibel, nach denen Gott den Menschen als Mann und Frau erschaffen hat (1. Mose 1, 27), angelegt auf die geschlechtliche Gemeinschaft von Mann und Frau (1. Mose 2, 24). Geschlechtlichkeit (Sexualität) ist damit theologisch als Schöpfung Gottes qualifiziert, deren von Gott gesetzter Zweck die ganzheitliche (leibseelische) Gemeinschaft von Mann und Frau ist, verbunden mit dem unter dem besonderen Segen Gottes stehenden Auftrag zur Zeugung von Nachkommenschaft (1. Mose 1, 28). Die Liebe zwischen Mann und Frau - als der ureigenste Ausdruck dieser Gemeinschaft - wird im Alten Testament auch als Abbild der Beziehung zwischen Gott und Mensch angesehen. Die relativ wenigen Aussagen des Neuen Testaments zur Sexualität beziehen sich (u. a. unter Bezugnahme auf sexuellen Libertinismus in der hellenistischen Umwelt, v. a. aber mit Hinweis auf die Heiligung des Menschen als Gottes Geschöpf) besonders auf die Unauflöslichkeit der Ehe und stellen Sexualität unter die Forderung bedingungsloser Liebe und Treue der Partner zueinander (so 1. Kor 6, 12-7, 40). Kennzeichnend für die spätere abendländisch-christliche Tradition war bis in das 20. Jahrhundert hinein, maßgeblich beeinflusst durch in die Patristik eingeflossene neuplatonische und auch gnostische Denkansätze, eine weithin leibfeindliche Betrachtungsweise, wobei Sexualität v. a. unter dem Aspekt der Zeugung verstanden wurde und (zumindest die unkontrollierte) Lust als sündhaft galt. Erst im 20. Jahrhundert fasst die christliche Theologie Sexualität stärker unter dem Gesichtspunkt der personalen Begegnung zwischen Mann und Frau, die an die Liebe und Verantwortung der Partner füreinander gebunden sein muss, aber vielfältige Ausdrucksformen haben kann. Einen wesentlichen Streitpunkt innerhalb der christlichen Sexualethik bildet allerdings nach wie vor die theologisch-ethische Bewertung der Homosexualität; in jüngster Zeit besonders im Zusammenhang mit der 1996 veröffentlichten Orientierungshilfe der EKD (»Mit Spannungen leben«) zum kirchlichen Umgang mit Homosexualität. - Themen der gegenwärtigen sexualethischen Diskussion in Kirche und Gesellschaft sind darüber hinaus Geburtenkontrolle, Empfängnisverhütung, Schwangerschaftsabbruch, aber auch Themen wie die (zunehmende) Bedeutung nichtehelicher Lebensgemeinschaften in der Gesellschaft und der gesellschaftliche Umgang mit in sexuellen Beziehungen praktizierter Gewalt.
II
Sexualethik,
 
Teilgebiet der Ethik, das sich mit der Lehre angemessenen sexuellen Verhaltens beschäftigt. Fast allen sexualethischen Entwürfen gemeinsam ist, dass die Sexualität einen wesentlichen, zur körperlich-seelischen Ganzheit des Menschen gehörenden Lebensbereich darstellt, der unterschiedlich gelebt werden kann. Die Sexualethik will zur Gewissensbildung beitragen; diese soll den Menschen nicht, wie lange Zeit üblich, Sexualität verbieten oder sie von vornherein einschränken; vielmehr soll sie ermöglichen, dass ein Mensch seine Sexualität als geglückte Erfahrung in Eigenverantwortung und Verantwortung gegenüber den Sexualpartnern leben lernt. Sexualethische Aussagen beziehen sich auf konkrete Bereiche der menschlichen Sexualität wie Selbstbefriedigung, Sexualität und Partnerschaft/Ehe, Empfängnis- beziehungsweise Schwangerschaftsverhütung, Homosexualität, Schwangerschaftsabbruch, gentechnische Fragen der Zeugung. Dabei stellt sich die grundsätzliche Frage, nach welchen Maßstäben ein Verhalten als »richtig« oder »falsch« beziehungsweise als »angemessen« beurteilt wird und wer diese Maßstäbe setzt (z. B. Kirche, Wissenschaft, Tradition). Jede sexualethische Überlegung geht von bestimmten Grundannahmen aus, seien sie nun religiöser, wissenschaftlicher oder weltanschaulicher Art, die die jeweiligen Fragestellungen beeinflussen und in ihre Aussagen miteinfließen. Sexualethik bewegt sich zwischen zwei Polen: der normativen Ethik, die für alle Menschen und für immer geltende Normen setzen will, und der situativen Ethik, die dem Menschen in der jeweiligen Situation mehr Entscheidungsspielraum gibt. Während in der normativen Ethik die konkreten Lebensbedingungen des einzelnen Menschen zu wenig berücksichtigt werden, liegt in der situativen Ethik die Gefahr, dass die einzelne Person in der konkreten Entscheidungssituation orientierungslos bleibt und ihr Verhalten nach unbewussten und unbedachten Normen ausrichtet.

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Se|xu|al|ethik, die <o. Pl.>: Ethik im Bereich des menschlichen Geschlechtslebens.

Universal-Lexikon. 2012.

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